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Zugang zu Menschen durch Tiere - ein Interview mit Professorin Karin Hediger

Karin Hediger

Prof. Dr. Karin Hediger

Warum bist du Psychologin geworden und was hat dich dazu bewogen, eine akademische Laufbahn einzuschlagen?

Die Psychologie hat mich schon immer interessiert. Allerdings hätte ich mir auch ein Studium in einem naturwissenschaftlichen oder künstlerischen Bereich vorstellen können. Ausschlaggebend war schlussendlich eine Informationsveranstaltung an der Universität Freiburg mit einem Dozenten, der die Vielseitigkeit des Psychologiestudiums äusserst spannend darlegte. Nach meinem Studium schlug ich dann aber doch eher zufällig die akademische Laufbahn ein: Eine Dozentin sprach mich auf eine freie Doktoratsstelle an. Bis dahin hatte ich mir nie Gedanken gemacht, ob mich das interessieren würde. Ich überlegte mir meine Karrieremöglichkeiten und erkannte, dass mir ein Doktoratsstudium die Chance geben würde, mich vertieft mit den Themen zu beschäftigen, die mich schon seit jeher interessieren: der Zugang zu Menschen durch Tiere.

 

Woher kommt dein Interesse für die tiergestützte Psychotherapie?

Ich habe mich schon während meiner Zeit im Gymnasium für das Thema interessiert und bspw. meine Matura-Arbeit dazu verfasst. Ich bin mit Tieren aufgewachsen und meine Eltern hatten alle Hände voll zu tun, meinen «privaten Zoo» im Zaum zu halten (lacht). Ich hatte nie genug Hunde, Mäuse, Hamster und Meerschweinchen. Ich habe damals im Umgang mit Mitschüler*innen bemerkt, dass Tiere einen Weg darstellten, um eine Verbindung herzustellen. Mir fiel das insbesondere bei Flüchtlingskindern auf, wo zusätzlich zu traumatischen Erlebnissen auch eine Sprachbarriere bestand. Schon zu dieser Zeit haben mich die Menschen und ihre Gefühlswelt stark interessiert. 

 

Du arbeitest als Psychotherapeutin, leitest ein CAS für die tiergestützte Therapie in der Weiterbildung und hast im Oktober 2021 eine Eccellenza Professur angetreten. Darüber hinaus bist du auch ausserhalb der Fakultät stark engagiert. Woher nimmst du die Energie für all diese Aufgaben?

Die Themen rund um die tiergestützte Intervention sind schlicht und einfach meine Leidenschaft. Darüber hinaus bin ich auch eine sehr neugierige Person. Ich will Zusammenhänge verstehen und dabei die Theorie erproben. Ich will hier aber unbedingt erwähnen, dass ich diese Dinge nicht alleine schaffe. Ich arbeite mit grossartigen Menschen in sehr produktiven Teams. Meine Errungenschaften sind immer auch Teamleistungen und ich finde in der Zusammenarbeit Inspiration und Kraft.

 

Welche besonderen Herausforderungen hast Du als Wissenschaftlerin zu bewältigen?

Als Frau fand ich nur wenige Vorbilder und habe mich darum «alleine» mit gewichtigen Fragestellungen konfrontiert gesehen. Zum einen stellt sich für viele Frauen die Frage, ob sie eigene Kinder haben wollen. Der für Wissenschaftler*innen wichtigste Lebensabschnitt fällt genau in die Phase, in denen Kinder ein Thema sind. Eine akademische Karriere verlangt dann viel von einem ab und Freizeit wird zu einem Luxus. Viele Anstellungen sind auch nur befristet und so kommt zur Frage, wie man Kinder und Arbeit zeitlich vereinbaren kann, auch jene der finanziellen Absicherung hinzu. Darüber hinaus gibt es weitere systematische Probleme, d.h. viele Finanzierungsinstrumente von Drittmittelgeber*innen setzen eine 100% Anstellung voraus. Mit 100% ist aber weitaus mehr verbunden, als eine 42 Stundenwoche. Schliesslich müssen theoretische Konzepte praktisch erprobt werden und die kontinuierliche Weiterbildung, sei es durch Literatur oder strukturierte Angebote, darf nicht vernachlässigt werden.

 

Wir haben überwiegend Professoren. Wie könnten wir mehr Professorinnen oder Diversität allgemein erreichen?

Akademische Karrieren können heute nicht individuell gestaltet werden. Hier sollten neue Ansätze entwickelt werden. Nur schon bei der Finanzierung ist Jobsharing schwierig zu verkaufen, obwohl genau das eine spannende Option wäre, um bspw. Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen. Die wissenschaftliche Kultur fokussiert sich auf die Anzahl Publikationen oder Forschungsprojekte. Das sind aber nur quantitative Aspekte und eine qualitativ produktive Forscher*in, die aufgrund ihres Lebensentwurfes weniger publiziert hat, kann dabei nicht mithalten. Wenn der Anteil weiblich gelesener Forscher*innen erhöht werden soll, müssen auch Leistungen gewürdigt werden, die nicht in das heute übliche Schema passen. 

 

Warum entscheiden sich viele Frauen gegen eine akademische Laufbahn?

Diese Frage kann ich nur versuchen aus meiner Perspektive zu beantworten, denn auch ich stehe immer wieder vor der Frage, ob ich diesen Weg weitergehen möchte oder nicht. Wie bereits erwähnt, sind die unsicheren Zukunftsaussichten ein wesentlicher Aspekt. Dann kommt die Frage hinzu, ob man sich dem hohen Leistungsanspruch und dem Druck, sich stetig beweisen zu müssen, aussetzen möchte. Linienförmige Karrierewege, mit all ihren Nachteilen insbesondere für Frauen, sind nach wie vor der überwiegende Standard und passen oft nicht mit dem Leben zusammen.

 

Wie hältst du dich auf dem Laufenden, was neue wissenschaftliche Erkenntnisse betrifft?

Ich lese sehr gerne und starte meistens meinen Tag mit spannender Lektüre. Auf Twitter folge ich beispielsweise diversen Forscher*innen und informiere mich so über die Entwicklungen in etablierten Forschungsrichtungen oder über neue Ideen aus der ganzen Welt. Dann sind Studierende häufig eine Inspiration, wenn sie mit neuen Fragestellungen oder Projektideen auf mich zukommen. In der Lehre versuche ich generell offen zu sein und bei Bedarf auch über für mich neue Themen zu referieren. Zu guter Letzt findet meine Arbeit in interdisziplinären Teams statt und ich profitiere vom Austausch mit Expert*innen aus anderen Fachbereichen, wie z.B. Veterinärmediziner*innen, die ihre Sichtweise einbringen.

 

Kannst du uns bereits verraten, welche Ziele du in den kommenden Jahren und im Rahmen deiner Eccellenza Professur erreichen möchtest?
Die tiergestützte Intervention ist noch ein junger Fachbereich und ich möchte diesen in der Psychologie verankern. Häufig sind Themen sehr personenabhängig und wenn jemand die Universität verlässt, schwindet das Interesse daran. Tiergestützte Therapieformen sollten meiner Meinung nach aber unbedingt Einzug in die etablierten psychologischen Verfahren halten. Natürlich möchte ich exzellente Forschungsarbeit liefern und gerade auch als Frau Vorbild sein dafür, wie akademische Laufbahnen gestaltet werden können und hoffe, dass ich vielleicht den einen oder anderen Anstoss für Veränderungen geben kann. Ich möchte mithelfen, die Fakultät für Psychologie in den nächsten Jahren zu prägen und in meiner Rolle als Professorin den akademischen Nachwuchs fördern.