Lesen lernen und Dialekt

Kontakt:   Dr. Jessica Bühler

Beteiligte Personen:

Prof. Dr. Urs Maurer
Dr. Jessica Carolyn Bühler

Wenn Kinder lesen und schreiben lernen, müssen sie gesprochene und geschriebene Sprache einander anpassen. Wie dieser Prozess genau aussieht, wenn ein Kind in einer von Dialekt geprägten Sprachsituation aufwächst, wurde bislang nur wenig erforscht. In der Studie „Lesen lernen und Dialekt“ wird untersucht wie sich neuronalen Mechanismen (erhoben mittels Elektroenzephalographie) zu phonetischen, lexico-semantischen und syntaktischen Unterschieden zwischen Schweizerdeutsch und Hochdeutsch bei Kindern und Erwachsenen verhalten. Ein weiterer Fokus liegt auf der Analyse von Unterschieden im Lesen und Schreiben bei Kindern mit schweizerdeutscher Muttersprache im Gegensatz zu Kindern mit hochdeutscher Muttersprache, und wie diese Unterschiede mit der Sprachverarbeitung (u.a. Lese-/Rechtschreib-Vorläuferfertigkeiten) im Kindergarten zusammen hängen.

In dieser Längsschnittstudie wurden Kinder einmal im Kindergarten und einmal am Ende der 1. Klasse untersucht. Im Kindergarten wurden Daten dazu erhoben, wie sich die Verarbeitung von Schweizerdeutsch und Hochdeutsch in den Hirnströmen zeigt. Besonders interessiert uns, welche neuronalen Mechanismen in der lautlichen, lexico-semantischen und grammatikalischen Sprachverarbeitung im Kindergarten die Unterschiede im Lesen und Schreiben in der 1. Klasse vorhersagen können. Erste Ergebnisse zeigen, dass Schweizerdeutsch sprechende Kinder während des frühen Lese- und Schreiberwerbs wegen Ausspracheunterschiede im Schweizerdeutschen und Hochdeutschen weniger mit Buchstaben-Laut-Korrespondenzen arbeiten können und gleichzeitig noch lernen müssen, welche schweizerdeutschen Wörter den hochdeutschen entsprechen. Somit haben sie beim Lese-/Rechtschreiberwerb etwas schwierigere Voraussetzungen im Vergleich zu Kinder, die verstärkt oder nur Hochdeutsch sprechen. Gleichzeitig scheinen primär Schweizerdeutsch sprechende Kinder aber auch einen kompensatorischen Vorteil in Form von stärker ausgeprägten metalinguistischen Fähigkeiten mitzubringen, welche diesen Kindern bei der Analyse von Sprache und sprachlichen Einheiten höchstwahrscheinlich als Stütze dienen. Analysen zur Vorhersagekraft von vorschulischen neuronalen Markern auf spätere Lese-/Rechtschreibfertigkeiten sind noch im Gange.

Ziel der Studie ist es herauszupartialisieren, zu welchem Grad Kinder, die Dialekt sprechen, beim Lesen- und Schreiben lernen in der 1. Klasse benachteiligt sind und wie sich dies spezifisch auf der neuronalen und behavioralen Ebene darstellt. Durch die Studie erworbenes Wissen könnte später dazu beitragen, dass Trainingsprogramme verbessert oder schulische Richtlinien angepasst würden, um Kindern in der Schweiz das Lesen- und Schreiben lernen zu erleichtern.

Finanzierung
Projekt wurde unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds – es stehen heute keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung.